http://www.arte.tv/de/Kultur-entdecken/tracks/2894526.html
Der gesamte Stadtteil wird derzeit umgebaut und modernisiert. Nicht immer zur Freude der Anwohner.
Jan Delay : „So wir stehen jetzt hier am perfektesten Ort für meinen kommenden Redefluss. Zum Thema Gentrifizierung. Das Wort habe ich eben gerade gelernt. Ich wusste zwar, was es bedeutet, aber ich kannte das Wort nicht. Es geht darum, dass alteingesessene Stadteile ihrer Struktur und ihrer Bewohner beraubt werden. Das schöne an Hamburg ist ja diese Vielfalt von Subkulturen. In Hamburg gibt es keine Grenzen, gab es auch noch nie. Deshalb haben wir auch schon damals, Anfang der 90er mit all den Punk Rock Bands, oder Hamburger Schule Bands, oder den Elektro-Frickel- Leuten, oder was auch immer, alle zusammen gehangen und das haben wir meistens und am liebsten im Golden Pudel Club getan. „ St. Pauli – Ein Viertel verändert sich. Blieb der Stadtteil jahrzehntelang von jeglicher Stadtplanung unbeachtet, ist er nun zur Spielwiese für Spekulanten geworden. An allen Ecken und Enden wird gebaut oder saniert. Die Folge: Gentrifizierung! Das Leben im Viertel wird teurer. Gut für Investoren und besser Verdienende. Schlecht für Anwohner mit niedrigen Einkommen. Ihre Alternativen: Wegziehen. Oder sich der Entwicklung widersetzen. assend zum Thema: Der in diesem Sommer veröffentlichte Dokumentarfilm „Empire St. Pauli“. Die Filmemacher leben seit Jahren selbst im Viertel. Steffen Jörg, Produzent „Empire St. Pauli“ : „Die Motivation war eigentlich zum einen erst mal zu dokumentieren was hier passiert, weil teilweise tagtäglich hier sich Dinge verändert haben und immer noch verändern aber auch und vor allem mit diesem Film eine Öffentlichkeit zu schaffen für diese Prozesse “. In unaufdringlicher Weise nähert sich der Film dem Stadtteil und seinen Bewohnern. Er macht Zusammenhänge klar und gibt jenen eine Stimme, die ansonsten nicht gehört werden. Kritikpunkt Nr. 1: Die neue Hochausarchitektur im Viertel. Stadtplanungspolitik, die ausschließlich ökonomischen Prinzipien folgt. Die Bedürfnisse der Anwohner bleiben außen vor - je mehr gezahlt wird, desto höher wird gebaut. Die Mieten? Die steigen mit. Die Folgen für die Kreativen: Ihre Freiräume zur Entfaltung werden stetig kleiner. Ted Gaier (Die Goldenen Zitronen) : „Ja, was für ein dünkelhaftes feudales, für ’ne feudale Idee ist, von wie hier Kultur verteilt, betrieben und gefördert wird, ne. Das ist wirklich ganz merkwürdig dieses Pfeffersacktum, was halt so eine altmodische Idee vom Bürgertum ist. 20% haben das Bürgerrecht und der Rest ist… Fickt euch, ihr habt eh kein Geld!“. Die Goldenen Zitronen – Mitte der 80er gründet sich die Punkband im Umfeld der besetzten Häusern an der Hafenstraße. Sie entwickelt im Laufe der Jahre eine eigene musikalische Sprache, in der sie sich mit den Realitäten einer marktwirtschaftlich diktierten Welt auseinander setzt. Ein Nebeneinander von Subkultur und Massenunterhaltung hat es auf St. Pauli immer schon gegeben. Doch das Verhältnis gerät zusehends außer Balance. Die Gentrifizierung des Stadtteils folgt einem Plan. Das Ziel: Ein sauberes, sicheres, kurz: ein aufgewertetes St. Pauli. Der Widerstand regt sich auf breiter Front. Das Netzwerk „Es regnet Kaviar“ organisiert bereits seit Anfang 2008 den Kampf gegen die sogenannte „Aufwertung“ von St. Pauli. Hinzu kommt die Bürgerinitiative NoBNQ gegen das geplante Bernhard-Nocht-Quartier. Pazifistischer Protest mit Pop und Phantasie. Mit dabei: Die Goldenen Zitronen. In Sachen Widerstand gibt es auf St. Pauli eine lange Tradition. Während der 80er wurden die besetzten Häuser der Hafenstraße zum Sammelbecken widerständiger Kräfte. Schon damals konnten Pläne zur Umstrukturierung des Stadtteils erfolgreich verhindert werden. Aktivist Christoph Schäfer: „Die Hafenstraße hat auch den Effekt gehabt, dass sich 200m im Umkreis davon ein gutes Jahrzehnt lang die Mieten einfach komplett stagniert sind. Da hat sich kein Spekulant heran getraut, an irgendwas was hier in der Nachbarschaft war. Also da muss man schon sagen, da haben die Leute durchaus auch von profitiert, die jetzt da gar nicht mit besetzt hatten“. Auch wenn sich die gegenwärtigen Aktionen gegen konkrete, kurzfristige Veränderungen im Viertel richten; Christoph Schäfer blickt in die Zukunft : „Die Frage ist natürlich, ob man im Moment in eine Situation kommt für ein anderes Urbanisierungsmodell zu kämpfen und das durchzusetzen auf einer viel höheren Ebene. Das wird nicht von so einer kleinen Initiative gemacht werden, aber was wir machen können ist vielleicht eine kleine modellhafte Vision zu entwickeln, wie so eine andere Stadt aussehen könnte, wie die Gesellschaft ihr Geld wieder sinnvoll ausgeben könnte, bzw. tatsächlich investiert in interessantere Städte und lebenswerte Städte, statt eben in diese Blasen. Das ist sicherlich nicht in zwei, drei Jahren zu erledigen, sondern ein längerer Kampf aber der steht einfach an und zwar weltweit. „