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Nachbarn sprechen mit Nachbarn

Damit wir die Wünsche und Interessen aller betroffenen Nachbarn so gut wie möglich vertreten können, haben wir sie zu ihrer gegenwärtigen Wohnsituation auf St. Pauli befragt. Auf diese Weise wollten wir die Meinung aller Betroffenen einholen, auch von denen, die nicht zu unseren Treffen kommen.

Die Resonanz war toll. Hier redet wirklich jeder mit jedem und jeder hatte etwas wichtiges zu sagen. Wir hatten viele interessante Gespräche mit unterschiedlichsten Menschen. Stolze 90% der MieterInnen haben mitgemacht.

Was ist ihnen wichtig an St. Pauli? Wollen sie hier wohnen bleiben, oder käme für sie auch ein anderer Stadtteil in Frage?

Trotz der Unterschiedlichkeit der Befragten waren sich wirklich alle in einem Punkt einig. Alle schätzen St.Pauli auf Grund der Offenheit und Vielfalt der Menschen hier. Man kennt seine Nachbarschaft, Freunde, Verwandten und Arbeitskollegen leben um die Ecke. Hier treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander und das seit je her. Durch die Tradition der Toleranz auf St.Pauli kann hier jeder für sich ein Plätzen finden, an dem er sich wohlfühlt und an dem man ihm zuhört.

Ein älterer Herr antwortete so auf die Frage: "(hamburgisch) Weißt du men Deern, der beste Beweis ist doch, dass ich dich hier kennengelernt habe und ich mit dir meine Probleme beschnacken kann."

Bis auf eine Mietpartei will keiner sein St.Pauli verlassen und in einen anderen Stadtteil ziehen.

Es stehen aber nicht im geringsten genügend Umsetzwohnungen zur Verfügung.
Obwohl das von den Vermietern zur Beschwichtigung angeführt wurde.

 

Viele Nachbarn kennen weder ihre Rechte als Mieter noch den Unterschied zwischen Sanierung und Modernisierung. Gerade bei den älteren Menschen haben wir Unsicherheit gespürt. Ein alter Seemann in Rente erzählte beispielsweise, dass er keine Heizung mehr in der Wohnung habe:

"Zu Zeiten von Claus Becker wurden die Rohre hier gelegt. Dann ist der Pleite gegangen und aus den Heizkörpern wurde nichts." Eine Heizung hat er also nie bekommen – dafür aber neulich eine saftige Heizkostenabrechnung von Köhler & von Bargen. Dieser ältere Nachbar zahlte zwar die absurde Rechnung nicht, traut sich aber auch nicht, sich an den jetzigen Vermieter zu wenden, aus Angst, er würde dann seine Wohnung verlieren. Sein Haus steht ja schließlich auf der Abrissliste. Trotzdem der Vermieter weiß, dass diese Wohnung nicht geheizt werden kann, ist immer noch kein Heizkörper eingebaut worden. So geht es einigen Mietern. Aus Angst davor, dass sie rausfliegen könnten halten sie lieber den Mund und finden sich mit den Gegebenheiten ab.

Die Häuser sind alle renovierungsbedürftig, jedoch laut der Mieter insgesamt noch gut bewohnbar. Trotzdem versucht der Eigentümer Köhler und von Bargen Immobilien OHG, die Bewohner in sogenannte Umsetzwohnungen in der Erichstraße 35 und 29 zu locken – natürlich nicht zum gleichen Mietpreis. Eine junge Frau erzählte uns außerdem, dass ein und dieselbe Wohnung gleichzeitig mehreren Nachbarn angeboten wurde. Immer wenn Interesse bestand und nach näheren Informationen gefragt wurde, hat die Verwaltung nichts mehr von sich hören lassen. Kein Wunder, wenn überhaupt nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stehen.

Mieterhöhungen, auch die bereits erfolgten, kann sich niemand leisten. Das war sogar von den „Normalverdienern“ zu hören, für die sich die Mieten auf St. Pauli ebenfalls ins Unermessliche zu schwingen scheinen. Die Harz 4 Empfänger würden schon bei geringen Mieterhöhung wie 50€ vom Arbeitsamt "umgesetzt" werden. Aber wohin? Da hat man die letzten 30 Jahre, oder länger auf St.Pauli zugebracht und jetzt soll man hier weg?
"Zuerst hat mir die Staat den Job genommen (sie war 25 Jahre Krankenschwester) und jetzt will er mir auch noch die Wohnung nehmen!", erzählte uns eine Nachbarin.
„Mehr Grün, mehr öffentlicher Raum“
„Weniger Großveranstaltungen und Sauf-, Piss- und Kotz-Tourismus“
„Mehr Kultur – weniger Einkauf“
„Mehr kleine Cafes und Clubs – weniger Bonzenhotels und Supermärkte“
„Bänke auf der Reeperbahn –  jetzt kann man nur sitzen, wenn man zahlt.“
"Unser Sailors Inn soll bleiben!"
"Die Kogge muss bleiben"
"Das Stay Alive ist wichtig für die Menschen hier"

Seemann: „Früher konnte man noch mal ab und zu ein Schiff sehen! Jetzt kuckt man bloß  noch auf Häuserblocks.“

Bardame: „Ich bin bewusst hierher gezogen, weil ich diesen Stadtteil mag, das Leben um mich herum. Ich habe kein Problem damit, dass sich der Stadtteil verändert. Allerdings habe ich ein Problem mit Luxussanierungen, die die Mietpreise in die Höhe treiben und die ärmeren Bevölkerungsschichten aus dem Stadtteil drängen.“

Arbeiter: "In der Nacht ist immer was los. Ich mag hier die Mischung von Bars und Wohnungen, daß es aber nicht so ist, wie am Hans-Albers-Platz...."

Künstlerin: "...keine komplette Kommerzialisierung von St.Pauli!"

Student: „Ich finde es schade, dass der Charakter von St.Pauli immer mehr verloren geht. Die interessanten Unebenheiten werden geglättet, dabei büßt das Viertel die Vielfalt und seinen Charme ein.“

Angestellte: "Piss nicht auf St.Pauli!"

 

Im Zuge der Umfrage hat sich unter anderem ergeben, dass wir zukünftig einen Anwohner Stammtisch im Sailors Inn anbieten wollen, um so die älteren Mieter auf dem Laufenden zu halten, die nicht zu den Treffen kommen können. 

 

 


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