NoBNQ!

Presseerklärung No. 1 - Hamburg, den 30. Juli 2009

Mit dem "Bernhard Nocht Quartier (BNQ)" wollen Investoren den aseptischen Totraum auf dem ehemaligen Astragelände ins bewohnte St. Pauli hinein ausdehnen. Die Köhler + von Bargen OHG plant auf 15 Grundstücken teure Modernisierungen, Abrisse und neue Luxuswohnungen. Bewohnerinnen und Bewohner werden so verdrängt. No BNQ ist ein Zusammenschluss von MieterInnen und NachbarInnen gegen die Investorenpläne. Zudem befürchten viele einen Dominoeffekt, Gentrifizierung und weitere Mietpreissteigerungen. Heute stellt sich die Initiative erstmals der Öffentlichkeit vor, formuliert ihre Forderungen und ihre Vorstellungen zur Zukunft des Viertels.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nur zufällig haben wir im Mai erfahren, was Besitzer und Behörden mit unserem Häuserblock vorhaben: das Viertel zwischen Bernhard Nocht Straße und Erichstraße soll zum "BNQ" werden - zum so genannten "Bernhard Nocht Quartier". Die aktuellen BNQ-Investoren "Köhler & von Bargen OHG" planen hier radikale Modernisierungen, Abrisse und den Neubau von - laut MOPO - 86 Luxuswohnungen und/oder Eigentumswohnungen.

Protokoll einer Kollaboration von Investoren und Politik

Das geht aus einem Protokoll (siehe Anhang) hervor, das ein Treffen von Parteivertetern, Beamten und Investoren dokumentiert: Politik und Behörden ermutigten die Investoren geradezu, geltendes Recht zu beugen, um durch Luxusmodernisierungen die MieterInnen zu vertreiben. Der zynische Tonfall, in dem dieses Papier die Situation von Mieterinnen und Mietern beschreibt und über Rauswurfmöglichkeiten spekuliert, erinnert an Spitzelberichte.

Knallgelb - Leuchtorange

In kürzester Zeit wurde eine widerständige Vielfalt dagegen in Gang gebracht: Gelbe "NoBNQ"-Wimpel flattern inzwischen an vielen Wohnungen im Block - und weit darüber hinaus; Alle zwei Wochen gibt es überfüllte Treffen in Kneipen, Schule oder benachbarten Läden; Arbeitsgruppen recherchieren & produzieren, treffen sich in Wohnungen, Straßencafés und Hinterzimmern, produzieren Webseiten, Buttons und T-Shirts. Rechtsberatung für alle wird organisiert. Eine mitternächtliche Spontandemonstration zog unter " No B-N-Q" Rufen durchs Brauereiquartier und über die Reeperbahn.

Die Unruhe wächst auf St. Pauli.

Denn alle wissen: wer wenig Geld hat und seine Wohnung verliert, findet auf St. Pauli nichts mehr. Nachbarschaftsnetzwerke werden so zerschlagen, Kinder werden aus ihrem Freundeskreis gerissen. Und diese Verdrängung zieht größere Kreise: denn auch die neuerdings vielgepriesenen Kreativen brauchen innerstädtischen Raum zu günstigen Preisen - den es nicht mehr gibt. In jüngster Zeit sind auf sämtlichen Brachflächen in St. Pauli Luxuswohnungen entstanden. Die Mieten wachsen wie die Kupfertürme. So werden die Möglichkeitsräume für Experimente und Erfindungen kleiner, wird die Stadt jeden Tag ein Stück ärmer, gleicher und langweiliger.

Wir sehen das BNQ als entscheidenden Dominostein der Umstrukturierung, der Gentrifizierung. Schon ziehen die Anlieger nach - im Hinterhaus der Kogge dreht der Hausbesitzer völlig durch, erhöht die Miete von 301 Euro um 350  auf 651 Euro.

Es reicht - die Verdrängung muss gestoppt werden. Wir werden die weitere Ausdehnung der architektonischen Ödnis des "Brauereiquartiers"zu verhindern wissen!

Wir fordern:

* Sofortige Instandsetzung der Wohnungen und Durchführung der über Jahre verschleppten Reparaturen.

* Keine Mieterhöhungen!

* Sofortige Neuvermietung der leerstehenden Wohnungen.

* Alle Kneipen müssen bleiben - in den Händen der jetzigen Betreiberinnen, zu den bestehenden Konditionen.

* Keine weiteren Luxuswohnungen oder Eigentumswohnungen auf St. Pauli.

* Wir fordern eine kulturelle Nutzung für das ehemalige "Erotic Art Museum" (vom Investor "Speicher" genannt) und für die Freiflächen. Mit AnwohnerInnen, MusikerInnen und KünstlerInnen werden wir Vorstellungen dazu entwickeln.

* Wenn überhaupt gebaut wird, dann fordern wir öffentlich geförderten Sozialwohnungsbau, vorzugsweise öffentlich geförderte Wohnprojekte. Auch dazu werden wir im Viertel unsere eigenen Vorstellungen entwickeln.

* Wir werden selbst entscheiden und gestalten was hier passiert oder gebaut wird - und diese Vorstellungen durchsetzen.

In der Nachbarschaft haben wir in den letzten Jahren mit selbst geplanten und öffentlich geförderten Projekten beste Erfahrungen gemacht - Wohnprojekte, Hafenstraße oder Park Fiction tragen zur Vielfalt des Viertels bei, sind innovative Beispiele dafür, wie Lebensqualität für alle geschaffen werden und eine Stadt nachhaltig interessant bleiben kann. Diese Linie werden wir weiterverfolgen.

* Wir bleiben alle!

Ihre Interessengemeinschaft NoBNQ

http://www.no-bnq.org

 

Anlagen:

- NoBNQ - Termine, Aktionen
- Nachbarn sprechen mit Nachbarn: Umfrage
- Glossar: Mietrechtliche Begriffe
- Zitate aus einem an die Öffentlichkeit gerutschten Protokoll mit Plan
- Reaktion / Postwurfschreiben der Köhler & von Bargen OHG
- Material, Plan, Fotos
- Support-Statements, Flyer: Molotow, Pudel Art Basel, Übel & Gefährlich...


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